Schritt 1. Der Hintergrund deiner eigenen Fantasy-Sprache
Wenn du diesen Beitrag gefunden hast, kennst du die Situation sicherlich: Du schreibst einen Fantasy-Roman und beschließt, dass du eine eigene Sprache erfinden möchtest. Aber wie fängt man mit einem solchen Vorhaben an?
Bevor du damit beginnen kannst, eine eigene Sprache zu erfinden, musst du dir einige grundlegende Fragen stellen:
- Seit wann gibt es die Sprache?
- An welchen Orten wird die Sprache verwendet?
- Gibt es andere Sprachen in dieser Umgebung?
- Wer wird diese Sprache verwenden?
- In welchen Situationen verwenden sie die Sprache?
Die Antworten auf diese Fragen haben direkten Einfluss auf deine eigene Fantasy-Sprache. Erfindest du zum Beispiel eine sehr alte Sprache, die nur in sehr begrenzten Kontexten von wenigen Personen verwendet wird, solltest du die Sprache möglichst simpel gestalten. Oder spielt deine Geschichte in einem asiatischen Setting? Dann solltest du überlegen, dir auch ein Vorbild an asiatischen Sprachen zu nehmen.
Praxistipp
Überlege dir, in welcher Welt deine Sprache spielt und wie sie sich entwickelt hat. Gibt es z.B. eine bestimmte Bevölkerungsgruppe, die nur diese Sprache spricht? Wird deine Fantasy-Sprache hoch angesehen oder verurteilt?
Wenn du alle Fragen beantworten kannst, bist du bereits auf einem guten Weg, denn die Antworten auf diese Fragen werden dir bei den folgenden Schritten weiterhelfen können.
Schritt 2. Das Lautsystem deiner Sprache
Wenn du den Hintergrund deiner Fantasy-Sprache kennst, solltest du dich zuerst mit der kleinsten Einheit beschäftigen: Den Lauten.
Dabei geht es nicht um Buchstaben, sondern um die tatsächlichen Laute, die in einer Sprache verwendet werden. So ist der „sch“-Laut im Deutschen beispielsweise ein eigener Laut, auch wenn er aus mehreren Buchstaben gebildet wird.
Um eine vollständige Sprache zu entwickeln, benötigst du Vokale und Konsonanten. Wie viele Laute du für deine Fantasy-Sprache wählst, bleibt dir überlassen.
Praxistipp
Erstelle dir in diesem Schritt eine Liste mit allen Lauten, die in deiner Sprache vorkommen können. Bedenke dabei, dass man die Laute in ihren Kombinationen gut aussprechen können muss.
Schritt 3. Das Schriftsystem deiner Fantasy-Sprache
Als Autorin oder Autor spielt das Schriftsystem deiner Fantasy-Sprache natürlich eine große Rolle. Solange du deinen Roman nicht als Hörbuch herausbringst, werden die meisten Lesenden deiner Sprache hauptsächlich in der Schriftform begegnen.
Daher solltest du dir die grundlegende Frage stellen:
Was repräsentieren einzelne Schriftzeichen?
Ein Buchstabe kann dabei für einen einzelnen Laut stehen, wie es im Deutschen meist der Fall ist, oder aber du erfindest eigene Schriftzeichen für jede Silbe. Du kannst auch beschließen, dass jedes Zeichen für ein vollständiges Wort oder sogar einen ganzen Satz steht.
Praxistipp
Entscheide, ob du ein eigenes Schriftsystem entwerfen willst oder bei den gewöhnlichen Buchstaben bleiben möchtest. Mit eigenen Schriftzeichen steht es dir offen, die Bedeutung jeweils frei zu wählen.
Schritt 4. Silben bilden
Eine Silbe sollte immer genau einen Vokal-Laut enthalten und kann darüber hinaus beliebig viele Laute enthalten. Ein Vokal-Laut kann dabei auch aus einem sogenannten Diphthong bestehen, also zwei Vokalen, die miteinander zu einem verschmelzen (wie z.B. „ei“).
Darüber hinaus kannst du frei entscheiden, in welchen Kombinationen deine Laute eine vollständige Silbe bilden. Möglicherweise möchtest du dir für einige grammatikalische Bausteine aus dem 7. Schritt eigene Silben überlegen.
Praxistipp
Lege die Regeln für deine Silben fest. Können nur ein Konsonant und ein Vokal eine Silbe bilden? Oder auch ein Vokal gefolgt von zwei Konsonanten? Schreibe alle möglichen Kombinationen deiner Fantasy-Sprache auf.
Schritt 5. Die ersten Wörter in deiner eigenen Sprache
Wenn du bereits den Aufbau deiner ersten Silben kennst, ist es von dort nur noch ein kleiner Schritt zu vollständigen Wörtern. Dafür solltest du dir zwei wichtige Fragen stellen:
- Woran erkennt man Wörter?
Die Frage scheint auf den ersten Blick selbsterklärend: Natürlich werden sie durch Leerzeichen voneinander getrennt! Doch je nachdem, für welches Schriftsystem du dich entschieden hast, musst du dir möglicherweise ein gesondertes Zeichen überlegen, das den Beginn oder das Ende eines Wortes markiert.
- Wie werden neue Wörter gebildet?
Das kürzeste Wort muss immer wenigstens eine Silbe besitzen – so viel ist logisch. Doch wie sieht der Aufbau eines längeren Wortes aus? Gibt es bestimmte Silben, die du häufiger vorne oder hinten an ein Wort anfügen kannst? Kann man wie im Deutschen Wörter zusammenfügen, um ein neues Wort zu bilden? Mit diesen Fragen solltest du dich in diesem Schritt auseinandersetzen.
Praxistipp
Überlege dir, wie deine Wörter aufgebaut sein sollen. Gibt es ein bestimmtes Merkmal für den Beginn oder das Ende eines Wortes? Wie können längere Wörter in deiner Fantasy-Sprache gebildet werden?
Schritt 6. Welche Wortarten brauchst du?
Nun, wo du den genauen Aufbau einzelner Wörter kennst, kannst du dich damit beschäftigen, welche Wortarten du benötigst, um deine eigene Fantasy-Sprache zu erfinden.
Auf jeden Fall sollte deine Sprache Nomen und Verben besitzen, damit du Handlungen ausdrücken kannst. So kannst du nur mit diesen zwei Wortarten bereits einfache Sätze bilden wie „Hunde bellen“.
Je komplexer deine Sätze werden, umso mehr Wortarten wirst du für deine Sprache brauchen. So kannst du mit Adjektiven, Adverben, Präpositionen und mehr detaillierte Sachverhalte darstellen.
Praxistipp
Überlege dir, welche Wortarten es in deiner Fantasy-Sprache geben soll und worin sie sich unterscheiden. Mindestens Nomen und Verben sollten in deiner Sprache existieren.
Schritt 7. Welche grammatikalischen Bausteine brauchst du?
Mit dem genauen Wissen, welche Arten von Wörtern es in deiner Fantasy-Sprache gibt, bist du nun bereit, dich mit ersten Themen der Grammatik zu beschäftigen.
Viele wichtige Informationen werden in verschiedenen Sprachen durch kleine Bausteine übermittelt, mit denen man die Grundformen deiner bestehenden Wörter verändern kann. Diese Informationen solltest du auch in deiner Fantasy-Sprache ausdrücken können, weshalb du in der Lage sein musst, eine Reihe von Fragen zu beantworten:
Grammatikalische Bausteine für Nomen
- Wie bildet man den Plural? Gibt es ein Zahlensystem in deiner Sprache?
- Werden Nomen dekliniert? Gibt es z.B. verschiedene Fälle oder verändern sich Nomen je nach Geschlecht?
- Gibt es unbestimmte oder bestimmte Artikel?
- Gibt es Verniedlichungsformen (z.B. „-chen“)?
Grammatikalische Bausteine für Verben
- Wie kann man Verben verneinen?
- Werden Verben konjugiert? Gibt es z.B. verschiedene Endungen für die jeweiligen Personalpronomen? Welche Pronomen möchtest du generell verwenden?
- Wie kann man unterschiedliche Zeitformen für Zukunft und Vergangenheit bilden?
- Wie bildet man den Passiv in deiner Sprache?
- Wie kann man jemanden in deiner Sprache zu etwas auffordern?
Praxistipp
Du musst nicht alle dieser sofort Fragen beantworten können – Möglicherweise entscheidest du dich dagegen, einzelne Wortbausteine für diese Informationen zu nutzen, oder dir fallen noch weitere Funktionen ein. Du solltest dich jedoch mit solchen grammatikalischen Themen auseinandersetzen.
Schritt 8. Sätze in deiner eigenen Fantasy-Sprache
Du kennst dich nun im Detail mit den Wörtern deiner Sprache aus und bist bereit für den letzten Schritt: Das Erstellen erster Sätze.
Dafür solltest du dir zunächst die Grundwortstellung eines Satzes überlegen. Im Deutschen ist diese z.B. SVO (Subjekt-Verb-Objekt), aber auch andere Kombinationen wie SOV oder VSO sind möglich.
Sobald du dich für eine Grundwortstellung entschieden hast, kannst du darüber nachdenken, in welchen Situationen du von dieser abweichst. Gibt es z.B. Nebensätze, die in einer anderen Reihenfolge gebildet werden?
Ein wichtiger Satztyp sind hierbei auch Fragen: Werden Fragen durch eine andere Reihenfolge der Wörter gebildet, durch eine unterschiedliche Betonung, oder vielleicht durch ein extra Fragewort?
Praxistipp
Siehe dir deine Wortarten an und überlege, welche Funktion sie in einem Satz einnehmen können. Entwickle daraus alle Kombinationen, die in deiner Fantasy-Sprache einen vollständigen Satz bilden.
Fazit
Herzlichen Glückwunsch, du kennst nun alle Grundlagen, um deine eigene Fantasy-Sprache zu erfinden! Nun musst du nur noch den gerade festgelegten Regeln deiner Sprache folgen und für alle Sätze, die du in deinem Roman benutzen willst, eigene Wörter erfinden.
Beachte dabei, dass deine Sprache niemals wirklich „fertig“ sein kann, sondern sich immer weiterentwickeln wird. Ich selbst habe mit diesen 8 Schritten vor einigen Jahren meine eigene Fantasy-Sprache erfunden, die ich in meinem ersten Roman aus der Welt der Mavéa verwendet habe. Doch schon beim zweiten Roman dergleichen Reihe wurde klar, dass sich die Sprache weiterentwickeln muss.
Mit diesem kleinen Leitfaden hast du jedoch ein hilfreiches Mittel an der Hand, um bereits früh die ersten Grundlagen deiner Sprache festzulegen. Für mehr Informationen sieh dir auch gerne meinen Literaturtipp an.
Viel Erfolg beim Erfinden deiner eigenen Fantasy-Sprache!
Literaturtipp
Rosenfelder, Mark (2012): The Language Construction Kit. https://www.zompist.com/kit.html